My Sleeping Karma – Atma – Album Review

My Sleeping Karma – Atma
Herkunft:
Aschaffenburg / Deutschland
Release:
29.07.2022
Label: Napalm Records
Dauer:
48:45
Genre:
Instrumental Post Rock


My Sleeping Karma sind inzwischen eine Institution, eine feste Größe im Bereich des instrumentalen Post Rocks. Seit ihrer Gründung 2005 haben sie sich, losgelöst von jeglichen Trends und Erwartungen, eine treue und große Fangemeinde erspielt.

Dass die Band bisher nur sechs Studioalben veröffentlicht hat, scheint ihrer Popularität nicht entgegen zu stehen. Mit der gleichbleibend hohen Qualität der Alben und der ansteckenden Energiefreisetzung bei Liveauftritten lassen sich die Vorfreude und das hohe Interesse am neuen Album erklären. Weiterhin ist beachtlich, dass die Band seit ihrer Entstehung ohne Besetzungswechsel auskommt. Wie viel Spielfreude und Energie zwischen den Bandmitgliedern besteht, davon konnte ich mich selber bei ihrem Auftritt beim diesjährigen Desertfest überzeugen.

Kreativität, Energie und Seele

Atma hat ganze sieben Jahre als Nachfolger von Moksha auf unseren Plattenteller gebraucht. Doch ist dieser lange Zeitraum nicht alleine mit der alles erstickenden Periode namens Corona zu erklären. Schwere Krankheit schon vor der Pandemie und Existenzängste in den letzten Jahren brachten die Band zeitweise fast zum Stillstand. Doch auch emotionales Auf und Nieder setzt auch neue kreative Kräfte frei. Deshalb steht nicht die Frage, ob das aktuelle Album gegenüber Moksha anders ausfallen würde, sondern in welche Richtung die Band sich entwickeln würde.

Obwohl die Musiker sich nicht zum Glauben des Hinduismus bekennen, steht auch Atma wieder unter dem Vorzeichen der hinduistischen Lehre. So reicht ein Blick auf den Titel und die Trackliste, um zu signalisieren, dass man sich thematisch nicht weit weg bewegt hat. Die sechs Instrumentalstücke geben bis auf die Titelnamen keine Hinweise auf die Gedankenwelt hinter der Musik. Deshalb bleibt einem Mitteleuropäer wie mir nichts übrig als sich mit der Musik alleine zufrieden zu geben oder sich über hinduistische Begriffe zu belesen.

Musik und Gedankenspiele

Atma ist ein Begriff aus der indischen Philosophie und lässt sich wohl am Besten als ewige, unveränderliche Seele in allen Dingen wie Tieren, Pflanzen und Menschen beschreiben. Ich interpretiere, dass das Unveränderliche, Ehrliche und Reine da auf meinem Plattenteller liegt und mich ab dem ersten Ton umhüllt. My Sleeping Karma haben alle ihre Trademarks behalten. Doch es gibt Abweichungen gegenüber dem Vorgänger. Das aktuelle Album erscheint mir im Gesamtbild noch ausgeglichener. Die Gitarren sind in den geschlossenen Kreis zurückgekehrt und geben anderen Instrumenten mehr Spielraum.

So wirken die Keyboardpassagen noch intensiver, sphärischer und verleihen dem Ganzen eine schwebende, klare Basis. Die Band schwankt zwischen energiegeladenen schnellen Passagen und ruhigeren Abschnitten, die Einzelinstrumenten Platz für Improvisationen lassen. So startet Maya Shakti natürlich mit viel Energie, denn der Begriff beschreibt die Schöpferkraft, die weibliche Urkraft des Universums.

Doch der Opener wird noch deutlich getoppt vom folgenden Prema, welches beim mehrmaligen Hören immer mehr wächst. Prema ist die Erweckung und Entfaltung der Liebe zu Gott. Anfangs aus Energie geboren, finde ich auch Entzücken in den ruhigeren Passagen. Nach zirka vier Minuten umspielen sich Keyboard und Gitarre, der Bass ist allgegenwärtig und bildet mit dem Schlagzeug zusammen trotzdem eine feste Basis. Jeder hat wohl seine Bilder im Kopf und kann sich den Track HIER anhören.

Befreiung und Glückseligkeit

Mukti bedeutet im Hinduismus so viel wie Erlösung oder Befreiung, ein Ausbrechen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Dafür finde ich die Komposition gelungen, aber anfangs sehr harmonisch. Die Tasteninstrumente bringen die gesamte Palette von flötengleichen Tönen bis zu geisterhaften Keyboardteppichen.

Die göttliche Kraft steigt in eine Seele hinab und nimmt die Gestalt eines Menschen oder eines Tieres an. Das nennen wir Avatar oder eben im Hinduismus Avatara. Der Song ist fast zehn Minuten lang und mein Highlight des Albums. Energie, Fluss, psychedelische Effekte und Momente vermeintlicher Improvisation verweben sich zu etwas Großem. Avatara ist zum Hören, Genießen und zum Staunen. Überhaupt ist die Produktion richtig gut gelungen. Die Instrumente sind homogen verwoben und trotzdem separat verfolgbar.

In Pralaya ist die Zeit der Auflösung eines Abschnittes gekommen. Ganz so desolat geht es musikalisch nicht zu, aber schon wesentlich energetischer agieren Schlagzeug und Gitarre.

Spätestens bei Ananda sollten wir die ewige Glückseligkeit erreicht haben. Es ist das Glück, welches mit dem Ende des Wiedergeburtszyklus verbunden ist. My Sleeping Karma sind heute und hier wiedergeboren mit allen Trademarks, welche die Fangemeinde zum Schmelzen bringt.


Fazit
My Sleeping Karma bleibt sich auf Atma treu. Trotz der von Gitarren getriebenen Energieschübe liegt der Fokus mehr auf einem dunklen, harmonischen Miteinander, was auch an der veränderten Keyboardarbeit liegt. Die Band ist wiedergeboren und wir nahe an Glückseligkeit. 9 / 10

Line Up
Norman – Keyboard, Programmierung
Seppi – Gitarre
Matte – Bass
Steffen – Schlagzeug

Tracklist
01. Maya Shakti
02. Prema
03. Mukti
04. Avatara
05. Pralaya
06. Ananda

Links
Webseite My Sleeping Karma
Facebook My Sleeping Karma

Instagram My Sleeping Karma


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