Blind Guardian – The God Machine – Album Review

Blind Guardian – The God Machine
Herkunft:
Krefeld / Deutschland
Release:
02.09.2022

Label: Nuclear Blast Records
Dauer:
51:05
Genre:
Bombast Metal / Heavy Metal


Foto Credit: Dirk Behlau

Man sagt ja “alte Liebe rostet nicht“, und das deutsche Power-Metal-Schlachtschiff Blind Guardian aus Krefeld bestätigt dies für meine Wenigkeit mit dem neuen Werk The God Machine auf überraschend herausragende Weise.
In den 90ern waren die “blinden Gardinen” meine absolute Lieblings-Metalband, und alle ihre Platten bis inklusive des Silmarillion-Konzeptalbums Nightfall in Middle-Earth liefen rauf und runter bei mir.

Mit den nachfolgenden Alben konnten sie mich allerdings nicht mehr so wirklich überzeugen, zu progressiv, zu vertrackt, zu bombastisch war mir der Sound der Band geworden, auch wenn musikalisch natürlich alles dennoch von höchster Qualität war; es traf nur einfach nicht mehr den richtigen Nerv bei mir.
Mit The God Machine ändert sich das auf fulminante Weise, beim ersten Hördurchlauf hatte ich doch tatsächlich Gänsehaut und Tränen in den Augen, dass meine alten Helden noch einmal mit einem so guten Album um die Ecke kommen können.

Speed Metal trifft Epik – Rückbesinnung auf alte Stärken

Deliver Us From Evil ist ein granatenstarker Opener, der Blind Guardian von Ihrer rauen speedmetallischen Seite zeigt und direkt Erinnerungen an Imaginations From The Other Side weckt.
Viel Doublebass, zackig-schnelle Riffs, und ein Hansi Kürsch, der sich endlich mal wieder wie in den 90ern die Seele aus dem Leib schreit, mit seiner einmalig tief-rauen Stimme, die man immer sofort wiedererkennt. Dennoch vermisst man auch die melodiösen Parts in diesem Song nicht, wie zum Beispiel im starken Ohrwurm-Refrain! Top!

Das epische Damnation überzeugt mit Gänsehaut-Chören und fantastischer Gitarrenarbeit, was ein ums andere Mal an das Meisterwerk Somewhere Far Beyond erinnert, das dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feierte und von der Band im Sommer schon eindrucksvoll live dargeboten wurde.
Epik wechselt sich ab mit dem alten Speed-Metal-Spirit, ohne jedoch stumpf auf oldschool gemacht zu klingen.

Es scheint vielmehr, als habe es Blind Guardian gut getan, sich mit den Live-Darbietungen der Klassiker-Alben Imaginations from the Other Side und Somewhere Far Beyond von Progressivität und Überbombast entschlackt und auf alte Stärken rückbesonnen zu haben.
Hansi Kürsch singt wieder aggressiver und rauer, es geht rhythmisch wieder flotter zur Sache und dennoch schwelgen die Harmonien und Melodien in ihrem eigenen Universum, das so nur Blind Guardian erschaffen können.

Dies merkt man auch im tollen Secret of the American Gods, das von Neil Gaiman’s Comic-Reihe (die auch als Serie verfilmt wurde) inspiriert wurde. Ein großartiger Song, der abwechslungsreich dargeboten wird und mit der richtigen Prise Bombast und Epik angereichert wurde, ohne zu überladen zu klingen wie manche Songs der letzten Alben.

Aggression und ungebändigte Energie

Mit Violent Shadows knallt es dann richtig, und die Jungs ballern uns ein thrashig-speediges Stück vor den Latz, das man in dieser Art seit gefühlt I’m Alive oder Born in a Mourning Hall vom Imaginations-Album nicht mehr gehört hat. Ein echter schneller Headbanger mit aggressiven Vocals, geilem Refrain, fetten Riffs und donnerndem Drumming! Hammer!
Aber überzeugt Euch selbst, das Video dazu gibt’s HIER.

Life Beyond The Spheres findet mehr im Midtempo statt und schlägt die Brücke zu neueren Alben der Band, ruft aber auch von der Atmosphäre her Erinnerungen an Nightfall in Middle-Earth hervor. Ein Song, der vielleicht nicht beim ersten Mal zündet, aber ein echter Grower ist und mit jedem Durchgang wächst.

Richtig schön mystisch-düster beginnt Architects of Doom, bevor auch hier wieder der Knüppel ausgepackt wird und die Band in Highspeed und mit starken aggressiven Vocals die Hütte abfackelt! Der Song prügelt sich regelrecht in die Gehörgänge, ohne das Markenzeichen der Band, die tollen Gitarrenmelodien, vermissen zu lassen. Der etwas getragene und melancholische Refrain bringt zusätzlich Abwechslung in den Song, der außerdem mit vorzüglichen Soli angereichert wird.
Zum Video geht’s HIER.

Wechselbad der Gefühle

Balladesk geht es weiter, mit dem wunderschönen Let it be no more, das mit zerbrechlichen Vocals und sanften Gitarren eine weitere Facette der Band zeigt. Akustische Klänge wechseln sich ab mit fetten verzerrten Akkorden, und die Chorpassagen sind genauso ergreifend wie Hansi’s Solo-Vocals.

Das die The Witcher Saga referenzierende Blood of the Elves knattert dann wieder schön schnell nach vorne, und es darf wieder geheadbangt werden. Auch hier spürt man diverse Imaginations-Vibes, angefangen beim energetischen Drumming mit viel Doublebass und peitschender Snare bis hin zu den rasenden Riffs und sich überschlagenden Soloeinlagen.

Das abschließende Destiny fordert den Hörer etwas mehr als die eingängigen Songs zuvor, hier lassen Blind Guardian wieder etwas von ihrer progressiveren Seite aufblitzen, die sie seit A Night At The Opera mehr in den Vordergrund gestellt hatten. Für mich fällt dieser Song daher ein klein wenig ab im Vergleich zum Rest des Albums, was aber nichts daran ändert, dass wir es hier mit dem für mich besten Album seit Nightfall in Middle-Earth zu tun haben.


Fazit
Blind Guardian ist es auf The God Machine gelungen, die perfekte Balance zwischen Aggression, Geschwindigkeit, der genau richtigen Dosis an Bombast und Epik und ihren zum Markenzeichen gewordenen Melodien zu finden. Hier wird zwar auf alte Stärken ihrer Klassiker-Alben aus den 90ern zurückgegriffen, jedoch ohne verkrampft old-schoolig zu klingen. Vielmehr haben die Krefelder es geschafft, ein kraftvolles, eingängiges und mit alter Heavyness auftrumpfendes Album aufzunehmen, das die Stärken aller Phasen ihrer Entwicklung vereint, aber sicherlich auch einige Alt-Fans wieder zurück ins Boot holen wird! 9/10

Line Up
Hansi Kürsch – Gesang

André Olbrich – Gitarren
Marcus Siepen – Gitarren
Frederik Ehmke – Schlagzeug

Tracklist
01. Deliver Us from Evil

02. Damnation
03. Secrets of the American Gods
04. Violent Shadows
05. Life Beyond the Spheres
06. Architects of Doom
07. Let It Be No More
08. Blood of the Elves
09. Destiny

Links
Facebook Blind Guardian
Webseite Blind Guardian


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