We Sell the Dead – Nachgefragt bei Niclas Engelin – Interview

We Sell the Dead bringen am 21. Februar 2020 ihr zweites Album Black Sleep in den Läden. Gleichzeitig gingen sie als Band erstmalig auf Tour und spielten im Hamburger Knust ihre dritte Show der Bandgeschichte. Die Gelegenheit für mich, bei einem Käffchen im gemütlichen Hermetic Coffee Roasters über die Band, Vinyl und das Leben als Musiker zu plaudern.


Christian: Ihr habt euch 2017 formiert, 2018 das Debüt-Album. Dennoch ist es an Informationen zu We sell the Dead im Netz recht mager. Wikipedia listet die Band nicht einmal auf deiner Seite. Das wollen wir ändern. Daher erstmal die Basics: Wie kam es zu We sell the Dead?
Niclas: Es begann alles als ein Projekt. Es sollte ein Animationsfilm entstehen und ich wurde daraufhin gefragt, ob ich interessiert wäre den Soundtrack dazu beizutragen. Das klang für mich nach einer großartigen Herausforderung. Für gewöhnlich, wenn ich Musik schreibe, richte ich mich nach den Klangfarben, Schwingungen, einem Gefühl. Hier bekam ich jedoch jedes Bild des Films vorgegeben und musste die Musik dazu anpassen. Man wollte, dass die Musik düster und dunkel wirkt, gleichzeitig sollte sie aber noch den Hörer einfangen und mitreißen. Als das dann soweit stand, brauchten wir noch einen professionellen Sänger, dann kam Jonas – unser Bassist – dazu, und Dan Lind erstellte den Film und verband die Storyline.

Quelle: Facebook Niclas Engelin

Christian: Wie man anhand der Musikvideos schließlich sehen kann.
Niclas: Es war eine sehr herausfordernde Aufgabe, besonders für mich als Songwriter und Gitarrist. Ich musste sozusagen aus meiner Komfortzone heraus. Das erste Album war somit mehr ein Konzept-Album – ein Soundtrack. Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns noch nicht als Band verstanden.

Christian: 2018 erschien das Debüt Heaven doesn’t want you and hell is full, wie erging es euch als Band seitdem?
Niclas: Zunächst hatten wir erstmal die Filmvorführung, dann kamen einige Radioshows in denen wir unplugged spielten. Wir hatten auch die Idee, aus dem Material eine Theateraufführung zu machen… Letztlich schrieb ich aber weiter Musik, da ich von dem ganzen Entstehungsprozess noch so euphorisiert war. Ich wollte alles aber noch mitreißender bekommen. Ich fragte mich, wie es zu schaffen sei, ein noch größeres Publikum zu erreichen. Und während der Aufnahmen erkannten wir mehr und mehr: Ja, wir sind eine Rockband. Wie wir zusammen spielten – das fühlte sich alles sehr natürlich an. Ich schrieb im vergangenen Sommer an dem Album. Der Entstehungsprozess war sehr spannend für mich, da es – denke das erste Mal überhaupt war – als Songwriter sich einfach mit der Musik gehen zu lassen und nicht daran zu sitzen und zu denken Ok, das muss jetzt in diese Richtung gehen. Dieses Mal nahm die Musik uns mit und so entstand Black Sleep.

Christian: Seit dem Debüt sind nun knapp 2 Jahre vergangen. Im Vergleich zu vielen anderen Bands, die sich 5 und mehr Jahre Zeit lassen ist das nicht viel. Wann begann die Arbeit an Black Sleep?
Niclas: Tatsächlich begannen die Arbeiten an Black Sleep kurz nach dem Release des ersten Albums. Ich stand regelrecht in Flammen und hatte Spaß daran und es war der Moment, in dem wir erkannten – so etwa in der Mitte des Entstehungsprozesses – wir sind eine Band. Und wir hatten Spaß zusammen. Und jetzt sind wir hier. In Hamburg. Und es ist der 3. Live-Auftritt in der Geschichte von We Sell the Dead.

Christian: Wie lange dauerte die Arbeit am kommenden Album?
Niclas: Etwa von September 2017 bis Januar 2018.

Christian: Schreibst du gezielt Musik für We Sell the Dead oder entscheidest du im Anschluss, ob das mehr was für We Sell the Dead oder doch mehr In Flames oder Engel ist?
Niclas: Wenn ich Musik schreibe, zum Beispiel für We Sell the Dead, ist es nur für We Sell the Dead. Ich kann nur an einer Band pro Tag arbeiten. Da bin ich fokussiert. Dann gehe ich nach Hause, verbringe Zeit mit meiner Familie, ruhe mich aus. Und nächsten Tag gleicher Ablauf, diesmal für Engel. Würde ich es mischen, zum Beispiel am Tag We Sell the Dead und am Abend Engel würde es nicht funktionieren. Es geht dabei nicht nur um die Musik, es ist der Entstehungsprozess, die Chemie zwischen den Mitgliedern. Das käme durcheinander.

Christian: Gibt es einen Grundtenor im neuen Album? Ein Kernthema?
Niclas: Es handelt von den dunkeln Themen des Lebens. Dem Tod. Black Sleep bedeutet der ewige Schlaf. Aber der Tod ist – beängstigend. Wir wissen nicht was es ist. Aber im Album geht es auch um Hoffnung. Das Licht am Ende des Tunnels. Ein nicht endendes Stöhnen. Sozusagen, dass da auch etwas Schönes dahinter steckt. Und du wirst das Artwork der Vinylausgabe lieben. Es ist in einem wunderschönen Gatefold mit Foto der Band im Hochformat.

Christian: Wie geht es weiter mit We sell the Dead? Pläne nach dem Album?
Niclas: Wir werden einige Festivals anstreben. Das ist ein Ziel der Band. Noch gibt es da nichts festes, aber es ist geplant. Wir wollen auf dem Radar erscheinen, sodass die Leute uns sehen und wissen Ah, das ist We Sell the Dead. Und wir haben mit dieser Tour gestartet.

Christian: Bestes Tour-Erlebnis bisher mit We sell the Dead?
Niclas: Unser erstes Konzert fand in einer Brauerei statt, in der wir unser eigenes Bier brauten. Es heißt Obey the Riff. Das war ein richtig guter Abend. Die Venue war ausverkauft. Alles sehr eng. Die Bühne war sehr klein. In Osnabrück gab es hingegen eine große Bühne und wir waren dachten uns „Wow, wir können uns endlich mal bewegen.“ Das war auch super. Und heute Abend, da werden auch so 500 Leute sein, wird es auch wieder enger, aber die Energie wird der Wahnsinn werden. 

Christian: Ein Blick auf dein Instgram-Profil verrät schnell, dass du ein großer Vinyl-Sammler bist. Auch das kommende Album wird wie das letzte auf Vinyl veröffentlicht. In diesem Jahr hat der Verkauf von Vinylplatten erstmals seit 1986 mehr Gewinn eingebracht als die CD-Verkäufe. Ein vorübergehender Trend oder eine Wende in der Art, Musik zu genießen?
Niclas: Ich denke es kommt zurück. Allein hier in der Umgebung sind vier verschiedene Plattenläden.
Ich meine, ich wurde da hineingeboren. Mein Vater hat Vinyl gesammelt und tut es bis heute. Ich liebe es. Und ich denke, dass die Leute erkennen, wenn sie auf Spotify und iTunes Musik hören – was super ist, um Musik zu entdecken – aber sie werden erkennen, dass es schön ist, die Musik festzuhalten, sie physisch auch zu fühlen, sie zu riechen. Der ganze Prozess: du muss die Platte aus dem Cover nehmen, sie auf den Plattenteller legen, die Nadel auflegen. Dann hörst du die Musik. Sie ist viel dynamischer, wärmer. Du bekommst ein Gefühl dafür, lehnst dich zurück. Und dann die Schattenseite: 20 Minuten später musst du die Seite wechseln, du musst dich vom komfortablem Sofa erheben und die Scheibe umdrehen.

Christian: Aber das hält einen ja gerade an der Musik. Also ist es doch eine schöne Art Musik zu genießen.
Niclas: Ja, es ist eigentlich die beste Art.

Christian: Wie viele Platten befinden sich in deiner Sammlung?
Niclas: Puh, die letzte Zählung ist etwas her… etwa 1500.

Christian: Wow. Wahnsinn.
Niclas: Nun, ich höre Musik den ganzen Tag. Ich spiele Musik den ganzen Tag. Wenn ich Musik höre, will ich in das Album eintauchen. Es geht nicht mal darum, ob ich das Album wirklich mag. Es interessiert mich, wie ist es gemacht, was dachte man sich, als man alles zusammentrug. Alles das herum interessiert mich. Es inspiriert mich.

Christian: Etwas anderes, was ich sehen konnte ist: du bist ein Familien Typ. Zwei Töchter, wenn ich richtig gesehen habe. Aus persönlicher Neugier, wie ist das Leben als Musiker und Vater? Mir fällt es schon schwer eine Woche von meiner Tochter getrennt zu sein.
Niclas: Das ist es. Und es wird nicht leichter. Aber meine Töchter sind in dieses Leben hineingeboren. Sie kennen es nicht anders. Und meine Frau, sie ist eine unglaubliche und schöne Frau, sie muss jeden Tag abliefern. Wie ich auch. Wir sind jetzt 15 Jahre zusammen. Für uns gibt es nichts anderes. Mit meiner Tochter habe ich gerade heute über Facetime gesprochen. Aber es ist manchmal für uns alle nicht ganz einfach.

Christian: Eine unserer Redakteure schreibt eine Kolumne darüber, wie sie ihre Teen-Tochter zum Metal bekommt. Irgendwelche Tipps?
Niclas: Naja, meine Töchter sind 6 und 9. Und, nun, sie mögen es auch nicht wirklich. Ich habe also in den letzten Monaten während des Essens die Musik ausgemacht, was ich sonst nicht tue. Meine Frau liebt auch Musik und hört häufig Funk und Soul, richtig gute Musik. Ich habe sie also ausgemacht und nach einer Weile fragte mich meine Tochter Daddy, wo ist die Musik? Dann habe ich leise wieder was angemacht und sie sagte Ah, ja, danke! Also, mein Tipp: Mach die Musik einfach mal aus.

Christian: Gibt es noch etwas, dass ihr den Lesern von Soundmagnet.eu mitgeben möchtet?
Niclas: Liebe das Leben. Liebe Musik. Kauft Vinyl.


Bearbeitungsvermerk: Es handelt sich nicht um eine wortgetreue Wiedergabe. Die Antworten wurden sinngemäß dem Lesefluss angepasst.

Links: 
Facebook We sell the Dead
Webseite We sell the Dead
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