The Tangent – Auto Reconnaissance – Album Review

The Tangent – Auto Reconnaissance
Herkunft:
UK / Schweden
Release:
21.08.2020
Label:
InsideOut Music / Sony Music
Dauer:
60:18
Genre:
Progressive Rock


Prinzipiell müsste man Andy Tillison, der schon seit den 1970ern in der Szene unterwegs ist, nicht groß vorstellen. Sein Projekt The Tangent bietet progressive Rockmusik sowohl mit jazzigem Canterbury-Einschlag und starken Retro-Prog Anleihen, aber auch moderne Elemente in Form elektronischer Effekte, gelegentlicher R’n’B Rhythmen und brandaktuellen Texten. Was als Nebenprojekt der ehrwürdigen The Flower Kings begann, mauserte sich schon vor langer Zeit zu einem eigenständigem Projekt. Auf dem mittlerweile elftem Album Auto Reconnaissance sind alle Zutaten gegeben, die der Fan schon vom Vorgänger Proxy her kennt.

Zurück in medias res

Von den sieben Stücken überschreiten drei die zehn Minuten Grenze. Vor allem das zentrale Stück Lie Back & Think Of England lässt sich mit seinen über 28 Minuten schon als Epos bezeichnen.  Aber bedeutet große Länge auch große Spannung? Der erste Longtrack Jinxed In Jersey ist typisch jazzig. Sehr feine progressive Momente mit dem wie üblich großartigen Flötenspiel von Theo Travis, aber auch moderne elektronische Beats werden genutzt und gesprochene Passagen. Dem Anspruch eine moderne, progressive Rockmusik zu machen anstatt einfach alte Stilmittel zu rezitieren, wird man absolut gerecht. Überhaupt ist Andy Tillison, obschon er eine markante Stimme besitzt, weniger ein Sänger sondern eher ein Geschichtenerzähler.  Seine soziokritischen und teilweise abstrakt-persönlichen Geschichten werden sehr fein instrumentiert mit Rock- und Blasinstrumentierung hinterlegt. Sie können sowohl lieblich, aber auch knackig rockig oder entspannt jazzig überzeugen. Schon alleine dieser Track ist sehr spannend.

Eine musikalische Reise beginnt

Für den bereits erwähnten Über-Longtrack mit seinen 28 Minuten gilt oben geschriebenes ebenfalls uneingeschränkt. Ruhige Momente wechseln sich mit rockigen Passagen ab. Im Vergleich zu den vorherigen Alben gibt es auf Auto Reconnaisance erfreulich viele rockige Passagen, die in den langen Titeln die Spannung aufrecht erhalten, ihnen Struktur verleihen und den Hörer fesseln. Alle Instrumentalisten leisten sehr gute Arbeit, vor allem die Rhythmussektion ist auf diesem Album wieder sehr stark. Die einzelnen Fragmente sind sinnvoll miteinander verknüpft und lassen das Stück wie aus einem Guss wirken. Melodisch kann das gesamte Album sehr überzeugen, textlich erzählt Andy Tillison hier mit viel Pathos eine Geschichte über seine englische Heimat. Der rein instrumentale Bonustrack Proxima bringt interessante Rhythmen an den Tag sowie einige elektronische Effekte, und ist sowohl modern als auch konzeptionell klassisch mit Flöte und jazzig-entspannt rhythmischen Momenten konzipiert. Es lohnt sich, diesen Bonus nicht zu verpassen!

Und die kurzen Songs?

Der Opener Life On Hold hat einen angenehmen Refrain, entspannt-differenzierte Instrumentierung und beschränkt sich im Vergleich zu den Longtracks auf die rockigere Seite. Under Your Spell seinerseits ist sehr entspannt, mit Piano, lässigem Saxophon, einem sehr optimistischem Klangbild und tendiert stärker als Gesamtsong zum Canterbury als der Rest der Platte. The Tower Of Babel ist ein straighter, funkiger Jazzrocker, der viel Spielfreude zeigt, sehr melodisch daherkommt, aber ansonsten sehr gut davon lebt, dass er der kürzeste Song der Platte ist. Ähnlich gestrickt ist das auf der regulären Edition abschließende The Midas Touch. Es muss konstatiert werden, dass die kurzen Songs die schwächsten Songs auf dieser ansonsten wunderbaren Platte sind.


Fazit
The Tangent haben in den zwei Jahren seit Proxy nichts verlernt, und beglücken ihre Fans mit einer Platte, dessen Longtracks hervorragend durchkonzeptioniert sind, eine tolle Abwechslung aller Stile dieser so großartigen Band bieten. Hier gibt es einfach alles, was man als Fan von The Tangent mit Fug und Recht erwarten darf. Rock, Jazz, Fusion, Pop, R’n’B. Was sag’ ich, einfach großartiges Ohrenkino. Die schwachen, kürzeren Songs, kann man getrost als Appetizer für das Hauptgeschehen in den längeren Titeln betrachten. 9 / 10.

Line Up
Andy Tillison – Gesang, Keyboards
Jonas Reingold – Bass
Theo Travis – Saxophon & Flöte
Luke Machin – Gitarre
Steve Roberts – Schlagzeug

Tracklist
01. Life On Hold
02. Jinxed In Jersey
03. Under Your Spell
04. The Tower Of Babel
05. Lie Back & Think Of England
06. The Midas Touch
07. Proxima

Links
Webseite The Tangent


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