Monolithe – Kosmodrom – Album Review

Monolithe – Kosmodrom
Herkunft:
Frankreich
Release:
25.11.2022
Label: Time Tombs Production
Dauer:
01:07:00
Genre:
Cosmic Doom Metal


In unseren modernen Zeiten des galoppierenden Fortschritts gibt es kaum noch Dinge, die den Menschen wirklich fesseln und beeindrucken können. Einzig mystische und unerklärliche Dinge faszinieren uns noch. Spontan fallen einem zu diesem Thema die Unumgänglichkeit des Todes und die offenen Fragen einer Existenz danach ein. Auch der unerforschte Bereich der dunklen Tiefsee ist so ein Ansatzpunkt von Fantasie und Interesse.

Beides kann man jedoch noch in einer dramatischen Kombination verstärken. Das Weltall ist vom Wissensstand und von der Erschließung her immer noch ein faszinierender und unheimlicher Raum für den Menschen. Zur kaum fassbaren Größe von Raum und Zeit kommt auch noch die Lebensfeindlichkeit dazu. Es entsteht so eine perfekte Kombination aus Urängsten und Interesse, was beim vielen Ehrfurcht, aber bei anderen unbändigen Forscherdrang auslöst.

Auf zu den Sternen

Der Faszination können sich auch die französischen Doom Veteranen von Monolithe nicht entziehen. Die Band hat über zwanzig Jahre des Bestehens und bereits acht Studioalben hinter sich gelassen. Auf ihrem aktuellen neunten Studioalbum erzählen sie uns die Geschichte des Aufbruchs in den Weltraum.

Das geschieht aus der Perspektive eines Erzählers und kommt ohne den oftmals verwendeten politischen Pathos oder einer technisch-futuristischen Übertreibung aus. Das ist umso bemerkenswerter, weil die Eroberung des Weltalls schon immer von weltpolitischer Bedeutung war und auch dazu diente, wirtschaftliche Gegner unter Druck und erklärte Klassenfeinde unter Zugzwang zu setzten.

Doch der Fokus von Monolithe ist nicht das politische Spiel und Interesse, sondern die Erzählung und Würdigung der menschlichen Leistung unter den historischen Umständen. Deshalb dreht sich thematisch alles um die sowjetische Raumfahrt, denn die damalige UdSSR war der Vorreiter beim Streben ins All. Folgerichtig trägt das Album den Titel Kosmodrom. Das ist die Bezeichnung für den legendären Weltraumbahnhof in Baykonur, welcher sich als Startpunkt der sowjetischen Weltraumaktivitäten in der kasachischen Steppe befindet.

Die Faszination von neuen Pfaden

Das Album hält sich vom inhaltlich-zeitlichen Ablauf an die historischen Gegebenheiten. Deshalb kann der Opener, den ihr HIER anhören könnt, auch nur Sputnik-1 heißen. Dieser unbemannte Satellit wurde am 4. Oktober 1957 gestartet und kreiste 92 Tage um die Erde. Das Besondere an dem Song stellt nicht die zehnminütige Länge oder der heavy doomige Sound dar, sondern der in zarten weiblichen und harschen Death/Doom Growls geteilte Gesang. Die Gastsängerin London Lawhon ergänzt sich hier mit der tödlichen Stimme von Rémi Brochard.

Die Band selbst beschreibt ihren Sound als Cosmic Doom Metal, was man so stehen lassen kann.
Monolithe spielen definitiv Doom, der seine Tiefe durch Keyboardteppiche und seine Dramatik durch Gitarren und Bass erhält. Eingestreute Soundsamples in russischer Sprache verleihen den Lyrics und der Thematik Authentizität. Die Produktion ist exzellent. Es lohnt sich den detailreichen, manchmal progressiven Sound unter Kopfhörern zu genießen oder dem Lauf einzelner Instrumente zu folgen.

Musikalische Erzählungen über den Forscherdrang

Die weiteren Kompositionen drehen sich um den Start der Rakete Voskhod und um Sputnik-2. Der Name Kudryavka wird nicht vielen etwas sagen. Es ist einer der Kosenamen für die Hündin Laika, die als erstes Lebewesen mit Sputnik-2 ins Weltall geschossen wurde. Von den Wissenschaftlern wurde sie als robuster Straßenhund gezielt ausgesucht, um die Strapazen und die Kälte des Alls zu überstehen. Von vorne herein stand aber fest, dass die Hündin diese Reise nicht überleben würde und sie für den Fortschritt geopfert wird.

Der Song hat eine entsprechende Tragik und dunkle Melancholie. Das internationale Feedback auf das berechnende Kalkül mit dem Tod des Tieres überschattete fast die wissenschaftliche Leistung des zweiten Weltraumfluges. Eine aufbrausende Welle der Sympathie für das Tier führte zum Aufflammen von Diskussionen über Tierschutz und zu einer Verehrung der Hündin. Laika überlebte nur wenige Stunden und starb aufgrund von Defekten im Hitzeschild an Überhitzung und Stress.

Die Sterne werden die nächsten Götter sein

Auch der vierte Song Soyuz dreht sich um eine Tragödie. Doch dieses Mal ist es ein menschliches Drama. Erzählt wird über den Flug Sojus 11, der 1971 mit dem Tod der drei Kosmonauten beim Eintritt in die Atmosphäre endete. Der Song startet lauernd, hektische Sprachfetzen und Kommandos bestimmen den Beginn. Die Vocals steigern sich mit der Dramatik und nehmen fast schon aggressive Züge an. Geradezu theatralisch untermalen die Keyboards die brachialen Riffs und erzählen die Geschichte des Todes. Das alles kann HIER nachgehört werden.

Das Album wird von einem Mammutstück von sechsundzwanzig Minuten Länge abgeschlossen. Kosmonavt ist eine vielteilige und kaum überschaubare musikalische Ode an die vorwärts drängenden Menschheit. Sie ist gewidmet dem Forschergeist und Entdeckerdrang. Geradezu poetisch ist der Text mit Formulierungen wie der Weltraum ist ein Meer, auf dem noch kein Schiff gesegelt ist oder die Kosmonauten werden zu Propheten jenseits der Grenzen.

Monolithe fordern den Hörer auf sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Musikalisch ist es ein schwer überschaubares Auf und Ab. Unendliche Gitarrenarbeit, sphärische Soundteppiche und die treibende Rhythmusarbeit bringen den Song voran.

Schlussendlich versiegt die Musik, so wie die Geschichten über die Anfänge der Eroberung des Weltalls irgendwann schwinden werden. Psychedelische Effekte sind im weiten Raum als Ausklang zu hören. Immer leiser sind sie zu vernehmen und schließlich herrscht Stille. In das Nichts spielt eine einzelne Gitarre eine wunderbare Melodie. Es ist das 1938 komponierte Stück Katjuscha, eines der beliebtesten russischen Lieder.

Die Band setzt ein und alles schwillt zu einer mächtigen emotionalen Manifestation an. Es ist ein Nachhall, ein letzter Blick zurück auf die historischen Leistungen der Menschen der ehemaligen Sowjetunion. Diese menschlichen und wissenschaftlichen Leistungen haben den Weg geebnet auf dem wir uns nun den Sternen zuwenden.

Kassiopea – außerhalb des Sonnensystems

Das Album Kosmodrom erscheint auch in einer Special Edition mit einer Bonusdisk, welche sechs Coverversionen enthält. Interpretiert werden Songs von The Cure über Metallica bis hin zu Massive Attack. Alle Versionen machen Sinn, haben aber inhaltlich keinen Bezug zum eigentlichen Album.

Auch die Umsetzung fällt im Vergleich zu Kosmodrom wesentlich weniger tiefgreifend und nicht so konsequent doomig aus. Wie sich das anhört, kann man beim der Version Invasion AD von Carpenter Brut HIER anhören. Lediglich die Coverversion vom Katatonias Klassiker Brave Murder Days passt mit seiner Härte und den Growls stilistisch zum Hauptalbum. Sicher eine Herzensangelegenheit für die Musiker und ein schöner Bonus für die Fans, aber eigentlich nicht notwendig für das Verständnis des mächtigen Hauptwerkes.


Fazit
Kosmodrom ist kein Album einfach aus dem Bauch heraus, sondern ein Ergebnis reifer Überlegung und von perfekt vertontem Kopfkino. Die überlangen und manchmal in ihrer Komplexität kaum greifbaren Doom Monster fordern den Hörer. Man ist am Besten beraten, wenn man sich in den Gedankenkosmos von Monolithe fallen lässt und in den Erzählungen und Klangwänden schwebt. Kosmische 8 / 10

Line Up
Rémi Brochard – Gesang, Gitarre
Sylvain Bégot – Gitarre
Benoît Blin – Gitarre
Matthieu Marchand – Keyboards
Olivier Defives – Bass
Thibault Faucher – Schlagzeug

Tracklist
01. Sputnik-1
02. Voskhod
03. Kudryavka
04. Soyuz
05. Kosmonavt
Bonus CD
01. Kold (im Original von The Cure)
02. Orion’s Misery (im Original von Metallica)
03. Invasion AD (im Original von Carpenter Brut)
04. Brave Murder Day (im Original von Katatonia)
05. The Killing Moon (im Original von Echo & the Bunnymen)
06. Spatial Cases (im Original von Massive Attack)

Links
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