Wardruna – 23.11.2019, MQ Wien – Live Review

Wardruna – 10 Jahre Album Tour 2019
Veranstaltung: 
23.11.2019, MQ – Halle E,G Wien
Herkunft: 
Norwegen
Ticket:
ab 36,-
Genre:
Dark Ambient, Nordic Ritual Folk


Wir schreiben das Jahr 800 nach Christus, der kalte November hält Einzug ins Reich des Earl Haraldson. Was die Bauern bis jetzt nicht vom Feld geholt haben, wird den Winter nicht überstehen, denn der erste Frost hinterlässt morgens schon Spuren auf den Feldern. Das Wild äst noch in stiller Ruh, doch der Jäger hat es bereits im Visier und legt den Bogen an. Auch er muss seinen Clan durch den harten Winter bringen… 
Ach nein, Moment, falsches Setting! Auch wenn der Inhalt noch so gut passen würde zu der Show, die uns in Kürze erwartet, so finden wir uns nicht wieder in der Serie Vikings, sondern schlendern gemütlich zur Halle E,G des Museumsquartier mitten in Wien um uns die erste und einzige Österreich Show dieser Tour zum zehnjährigen Bestehen des Albums Runaljod – Gap Var Ginnunga zu zelebrieren.

Unter das durchwegs schwarz gekleidete Black Metaller Publikum mischen sich etwas farbenfrohere Wikinger, die allesamt voller Vorfreude in die vollends bestuhlte Halle strömen, die seit Monaten ausverkauft ist. Auf der Bühne reihen sich bereits einige, aus eigener Herstellung stammende nordische Instrumente und man sucht mit Hilfe der Platzanweiser etwas ehrfürchtig den zugewiesenen Platz. Falls sich hier jemand befindet, der brachialen Black Metal aus vergangenen Zeiten des Einar Selvik und seiner damaligen Band Gorgoroth erwartet, so wird ihm spätestens beim Anblick des Sets klar, dass dies nicht eintreffen wird.

Pünktlich zur angegebenen Zeit haben alle ihre Plätze gefunden und es dauert nur wenige Minuten, bis es losgeht. Der Kopf der Gruppe, Einar Selvik, betritt mit Lindy Fay Hella – Gesang, und seinen weiteren vier Musikern die Bühne. Es gibt lediglich Gesten der Begrüßung, gesprochen wird hier nicht, jedoch gleich mit dem ersten Song Tyr losgelegt. Bereits in diesem ersten Song kann man die Tiefe der Musik erkennen. Ein wahrer Klangteppich wird hier ausgebreitet und alte Runen zum Leben erweckt. Auf dieser Bühne bedarf es an diesem Abend nicht viel um den nordischen Geist zu beschwören, der wie von selbst Einzug hält.
Bjarkan, Heimta Thurns, Thurs, Runaljod und Raido…alles Songs, die sich aneinander reihen und die Zuschauer in ihren Bann ziehen. Die wechselnde Beleuchtung leistet ihren Beitrag zu diesem einmaligen Konzert. Trotz des vermeintlich cleanen Umfeldes der Halle spannt sich eine energiegeladene Brücke zwischen den chantenden Künstlern und dem Zuhörer. Das ganze wird nicht durch Zwischentexte gestört; ein Song nach dem anderen wird dargeboten und die wenigen, die sich in den ersten Reihen überhaupt trauen, das Smartphone aus der Tasche zu ziehen um Erinnerungen an dieses Erlebnis mit nach Hause nehmen zu können, werden von den Platzanweisern diskret gebeten dies zu unterlassen um die anderen Gäste nicht zu stören.
Die Zeit scheint still zu stehen, als sich abwechselnd zwischen den einzelnen Songs trampelnde Bisons, heulende Wölfe oder auch Wasserplätschern mischen. Verstärkt wird man in die mysteriöse Welt der Nordvölker geholt, als süßlich duftender Rauch verströmt wird. Der Beifall wird mit jeder Songpause frenetischer und lauter, das Publikum ist voll dabei und die Pausen werden unweigerlich länger, da der Jubel nicht verstummen mag.


Den Höhepunkt erreicht dieser Jubel, als Selvik nach Odal zum Sprechmikro greift. Er bedankt sich ausgiebig für die Resonanz und als er so weiterspricht, über seine Kultur und Legenden erzählt, hat man das Gefühl, mittendrin zu sein und selbst zu Nordmann und Schildmaid zu mutieren.  Unweigerlich gibt man Standing Ovations und freut sich über die augenscheinliche Rührung bei den Musikern.
Alsbald er erzählt, dass sein Volk schon immer und zu jeder Gelegenheit Lieder sang; sei es zur Geburt oder um die Toten durch das dunkle Reich zu geleiten, wird klar, dass der wohl allen bekannte Song Helvegen folgen wird. Noch einmal ertönt frenetischer Jubel, der sofort erlischt, alsbald Selvik zur Laute greift und den für diesen Abend letzten Song damit ankündigt.

Nach Helvegen ist definitiv niemand der Zuhörer mehr auf seinem Platz. Der Applaus mag gar nicht mehr abklingen und Selvik lässt sich zu einem allerletzten Mal hinreißen zum Mikro zu greifen. Es gibt wieder eine Sprecheinlage, wobei dies eigentlich ein Gespräch mit dem Publikum ist. Es geht ums Erwachsenwerden, um die Schlangengrube, die zum Erwachsenenritual seiner Kultur gehört. Es wird sogar ein wenig lustig, als er uns pro forma fragt, wie wir Österreicher das Ende des Kind seins zelebrieren. Ob wir das wirklich mit Strudel machen? Vermeintlich alle Anwesenden verstehen diesen Schmäh, obwohl sie aus gefühlt hundert Nationen angereist sind für dieses Event.
Noch einmal nimmt das Publikum Platz um Snake Pit Poetry zu lauschen. Ich bezweifle, dass auch nur eine Handvoll der Zuhörer wörtlich versteht, was hier gesungen wird und trotzdem hängen alle an den Lippen des charismatischen Künstlers.
Was für ein Abschluss dieses einzigartigen Konzertes!


Setlist:
Tyr
Wunjo
Bjarkan
Heimta Thurs
Thurs
Runaljod
Raido
Völuspá
Isa
UruR
Solringen
Dagr
Rotlaust tre fell
Fehu
NaudiR
Odal
Helvegen
Encore:
Snake Pit Poetry (Skaldic Version)

Links:
Facebook Wardruna
Webseite Wardruna

Side Fact zum Konzert: 
Nicht nur Österreich war unter den Zuschauern vertreten. Zu diesem Konzert reisten laut exemplarischer Umfrage nach dem Konzert Fans an aus: Deutschland, Slowenien, Ungarn, Slowakei, Tschechien, Schweiz, Polen und sogar Italien.

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