Brainstorm – Nachgefragt bei Todde Ihlenfeld – Interview

Die deutschen Metal-Urgesteine Brainstorm liefern mit Wall Of Skulls ihr bereits 13. Studioalbum ab. Erstmals sind darauf zwei Gastsänger zu hören, außerdem war der Entstehungsprozess Corona-bedingt bei dieser Scheibe ein wenig anders als sonst.
Gitarrist Todde Ihlenfeld hat uns ein paar Fragen dazu beantwortet. Außerdem erklärt er uns, wieso Metal auch nach all den Jahren mehr ist als bloß Musik und wieso er es hasst, einzelne Songs aus einem Album herauspicken zu müssen.


Foto Credit: Alex Kuehr

Markus (Soundmagnet.eu): Hallo und Danke für das Interview. Ich falle einfach direkt mal mit der Tür ins Haus: Euer neuestes Album nennt sich Wall of Skulls. Was soll diese Schädelwand sein und was ist das Konzept dahinter?
Todde (Brainstorm): Die Schädel stehen alle für separate Geschichten, zum Beispiel für die vielen Gräueltaten der Menschheitsgeschichte, deine eigenen Dämonen, die dich bis in Deine Träume verfolgen, die Opferschädel verschiedener Kulturen, die Schädel der Totenkulte, aber auch für gefallene Helden verschiedenster Völker, Kriegstrophäen aber schlicht auch für die vielen Verstorbenen, die Väter und Großväter, Mütter und Kinder. Schädel sind ein allumfassendes faszinierendes Thema, dass zwar viel und zumeist, aber nicht immer dunkel und negativ behaftet sein muss.

Wir würden nie ein Album veröffentlichen, mit dem wir nicht vollauf zufrieden wären

Markus: Laut eigener Aussage konntet ihr während der Covid-19-Zwangspause für das Album einiges neu aufnehmen und perfektionieren, mit dem ihr bei den ersten Takes noch unzufrieden wart. Bedeutet das, dass man als Band sonst nicht mehr die nötige Zeit hat, um das Beste aus sich selbst und seinen Songs herauszuholen? Das klingt ein wenig nach Tretmühle, wenn man es ganz negativ ausdrücken will.
Todde: Das ist allgemein ein Problem, dass Vieles negativ behaftet ist oder so ausgelegt und interpretiert wird, obwohl es gar nicht so ist. Natürlich entsteht als aktive Band ein gewisser Kreislauf aus Songwriting, Recording, neues Album, Tour, Festivals, am besten noch eine Tour und wieder von vorne, aber das ist im allgemeinen ein sehr schöner Zyklus, weil Musik zu erschaffen und auch live zu spielen etwas Tolles ist. Wir haben schlicht und einfach die Gunst der Stunde genutzt und das mehr an möglicher Zeit in die Songs und allgemein in das neue Album gesteckt. Meistens braucht es diesen Prozess gar nicht, wenn sich dementsprechend während der Vorproduktion oder bereits im Songwriting-Prozess die einzelnen Puzzle-Teilchen Stück für Stück zusammenfügen. Und um das ganze abzukürzen: Wir würden nie ein Album veröffentlichen, mit dem wir zum Stand der Produktion nicht vollauf zufrieden wären.

Bekannte Gastsänger, aber kein Name-Dropping

Markus: Ihr habt mit Peavy Wagner und Seeb Levermann zwei Gastsänger auf Wall Of Skulls, die in der deutschen Metal-Szene auch nicht ganz unbekannt sind. Wie kam es zu dazu?
Todde: Weil es diesmal einfach gepasst hat wie die berühmte Faust aufs Auge. Außer auf der ersten Brainstorm Scheibe haben wir nie das Gefühl, dass ein Song unbedingt einen Gastsänger braucht, schon gar nicht eines eventuellen Name-Droppings wegen. Aber diesmal war es irgendwie offensichtlich, dass genau diese beiden Gäste wunderbar zu diesen Songs passen würden. Und das es dann auch noch geklappt hat, freut uns umso mehr. Es ist uns eine große Ehre ein Szene-Urgestein wie Peavy als Gast gewinnen zu können, ebenso wie Seeb, der nicht nur als Musiker, sondern auch als Produzent mit einem unglaublichen Talent gesegnet ist.

Wir wollen nicht gefühlt dasselbe Album zweimal aufnehmen

Markus: Ihr betont auch, dass ihr Wall Of Skulls nicht als Neuauflage, sondern als starke Weiterentwicklung gegenüber dem 2018er Album Midnight Ghost verstanden haben wollt. Nun, wo genau liegen die Unterschiede und inwiefern hat sich euer Sound weiter entwickelt?
Todde: Der Unterschied sind elf neue Songs plus Intro. Wir versuchen mit jeder Platte uns ständig weiter zu entwickeln, ohne jedoch die Brainstorm Trademarks zu vernachlässigen. Und das Ergebnis, wie auch die Reviews, geben uns in wohltuender Beständigkeit recht. Wir wollen nicht gefühlt dasselbe Album zweimal aufnehmen, aber unseren Brainstorm typischen Sound und Stil auch nicht zu sehr verwässern. Glücklicherweise haben wir recht bald unseren eigenen Weg gefunden und sind diesen konsequent gegangen. Wo Brainstorm draufsteht ist eben auch Brainstorm drin, um es mal etwas salopp zu formulieren.

Die Musik hat uns so vieles ermöglicht

Markus: Brainstorm gibt es seit 1989 und Wall Of Skulls ist bereits euer 13. Studioalbum. Als sich die Band gegründet hat, waren viele heutige Metal-Fans also weder geboren noch überhaupt von ihren Eltern geplant. Was treibt euch als Band nach all den Jahren eigentlich immer noch dazu an, weiterzumachen?
Todde: Das ist ganz einfach. Für uns ist Musik zu machen einfach die schönste Sache der Welt. Wir lieben es uns im Proberaum zu treffen, zu jammen, Songs zu schreiben, zusammen auf der Bühne zu stehen, auf Tournee zu gehen, Festivals zu spielen, neue Platten aufzunehmen. Die Musik hat uns soviel ermöglicht und vor allem sind hier Freundschaften für’s Leben entstanden, die weit über das reine Musik machen hinaus gehen. Und wir freuen uns jedesmal auf’s Neue, wenn eine neue Platte oder eine neue Tournee ansteht. Denn jedesmal wird im Buch der Brainstorm-Erinnerungen ein weiteres Kapitel geschrieben. Guter Stoff für lange Tournächte oder auch gemütliche Abende in kleiner Bandrunde am Lagerfeuer.

Metal ist mehr als Musik, Metal ist ein Lifestyle

Markus: Power Metal und „klassischer“ Heavy Metal erleben seit einigen Jahren eine Art Revival. Helloween, Accept, Rage oder auch ihr – ein Sound, der schon öfter totgesagt wurde, kommt anscheinend jedesmal wieder zurück, um Nörgler eines Besseren zu belehren. Wie erklärt ihr die Anziehungskraft dieser Genres, die ja schon seit Jahrzehnten weltweit viele Fans finden?
Todde: Weil es eines der geradlinigsten Genres ist, vollgepackt mit so viel unglaublichem musikalischen Talent innerhalb der Bands, getragen von Kreativität und dem Glauben an die eigene Musik. Die meisten sind ja bereits mit eben dieser Musik, oder den Vorgängern dazu, selbst aufgewachsen und groß geworden, das man nach wie vor Fan und Mucker zugleich ist. Das spüren die Fans und leben das alles mit uns. Metal ist mehr als Musik, Metal ist ein Lifestyle – und voller toller Menschen, denen man nicht so leicht ein X für ein U vormachen kann.

Ein Metal-Album ist mehr als die Summe seiner Teile

Markus: Nun zu einer Frage, die Redakteure lieben, aber Musiker wahrscheinlich hassen: Wenn ihr einen einzelnen Song des neuen Albums als besten Song herauspicken müsst, welcher wäre das und warum?
Todde: In der Tat, eine Frage die die Welt nicht braucht. Warum nur einen Song herauspicken, wenn man ein ganzes Album aufgenommen hat? Für was sind dann die anderen Songs? Lückenfüller? Mal eben schnell geschrieben weil es sonst keine ganze Platte geworden wäre? Zum Glück nicht. Zum Glück unterscheiden sich der Metal und seine Fans signifikant von der allzu oft schnelllebigen, Single-orientierten, seelenlosen und konstruierten Eintagsfliegen-Charts-Mucke.
Natürlich gibt es für jeden eigene Albumfavoriten und Lieblingssongs, aber kein Song auf den Platten wäre darauf gelandet, wenn wir Ihn nicht gut finden würden. Und da ein Album als Ganzes so viel mehr bietet, eine eigene Stimmung kreiert, eine Story erzählt, Emotionen aufbaut, eine ganz eigene Dynamik entwickelt, würde es dem Album kaum gerecht, nur einen Song stellvertretend für das ganze Album zu nennen.

Todde zu Live-Plänen: “Wir werden nichts unversucht lassen

Markus: Wenn Corona es zulässt, im Moment weiß ja niemand genau wie es im Herbst und Winter aussehen wird, können wir euch auch in Österreich für ein paar Gigs erwarten?
Todde: Wenn es die Pandemie, beziehungsweise die jeweiligen daraus resultierenden Vorschriften der Länder, zulassen, dann natürlich sehr gerne. Wir werden auf jeden Fall nichts unversucht lassen, auch wenn momentan leider keiner die Glaskugel hat um hierauf eine verlässliche Antwort zu haben.

Markus: Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
Todde: Wir freuen uns riesig, euch mit Wall Of Skulls unser neues Brainstorm Album vorstellen zu dürfen. Und natürlich noch viel mehr darauf, es dann – sobald wieder möglich – auch live präsentieren zu können. Bis dahin – lasst es euch gut gehen, trainiert den Nacken und stellt das Bier kalt!


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