Green Carnation – A Dark Poem, Part I: The Shores of Melancholia – Album Review
Green Carnation – A Dark Poem, Part I: The Shores of Melancholia
Herkunft: Norwegen
Release: 05.09.2025
Label: Season Of Mist
Dauer: 42:44
Genre: Progressive Metal

Green Carnation wurde Anfang der 1990er Jahren in Norwegen gegründet und erarbeiteten sich rasch den Ruf, einer der spannendsten, neuen Bands im Bereich des progressiven und atmosphärischen Metal zu sein. Als Basis der musikalischen Vielfalt fungierten Death- und Doom-Metal und so wurden Green Carnation oft in Verbindungen mit Bands wie In The Woods… und Emperor gesehen.
Das verwundert nicht aufgrund der personellen Parallelen, aber wird durch den eigenen Stil der Band nicht gerecht. Green Carnation beschritten mit dem 2000er Werk Journey To The End Of The Night ihren eigenen Weg durch eine Hinwendung zu melancholischer Tiefe und langen, epischer Komposition.
Ihr großer Durchbruch gelang dann 2001 mit dem einstündigen Epos Light Of Day, Day Of Darkness, welches bis heute als Meilenstein des Progressive Metal gilt. Nach mehreren Pausen und Comebacks meldete sich die Band 2020 mit dem rückblickend als auch zukunftsorientiert klingenden Leaves Of Yesteryear zurück. Mit A Dark Poem, Part I: The Shores of Melancholia beginnt 2025 wieder eine epische und längerfristige Reise, denn das Album steht als Beginn einer neuen Trilogie.
Erhabene Schritte durch die Melancholie
Noch immer schöpfen die Norweger aus der musikalischen Basis der Bandmitglieder und mischen das mit progressiven Elementen und einem Schuss warme Melancholie. Ob es sich beim aktuellen Output um Progressive Metal, Gothic Metal oder einfach Rockmusik handelt, spielt keine Rolle mehr, wenn der Hörer sich einfach in die Klangwelt hereinziehen lässt und vorurteilsfrei genießt. Immer noch haben Green Carnation eine Vorliebe für lange, emotional aufgeladene Kompositionen und verzichten auf technische Überfrachtung zugunsten von Atmosphäre und Ausdruckskraft.
Die sechs Songs fallen teilweise sehr unterschiedlich aus. Was sie vereint ist das epische, getragene Tempo und die Spannungsbögen. Dazu passend gibt es klaren, verletzlichen Gesang von Kjetil Nordhuses und eine perfekte Gitarrenarbeit, die zwischen filigranem Spiel und schweren Riffs wechselt. Manches verweist in seiner Schwere der Riffs auf die Herkunft der Band. Green Carnation sind ausgreift und dementsprechend steht auch die klare und warme Produktion auf einem hohen Level.
Ein goldener Herbst
Die ganze Tragweite von A Dark Poem erfasst man noch nicht beim ersten Hören. Doch man spürt die Größe ab dem Opener und mit jedem Hördurchlauf wird das Album mehr zu einem Erlebnis. As Silence Took You prägt uns auf einen goldenen Herbst mit dem kommenden Hauch von Veränderung. Der Gesang ist klar und symphonische Keyboardteppiche verleihen Größe. Im Mittelteil lösen sich durch Riffs erzeugte Spannungen durch Breaks in doomige epische Breite.
Noch eingängiger ist das folgende In Your Paradise. Die Gitarren drängen anfangs vorwärts. Der Refrain beweist hymnische Qualität und erreicht so Ohrwurm-Charakter. Ob diese Beschreibung zutrifft, kann man sich HIER anhören. Danach wird es zerbrechlicher. Me My Enemy entwickelt sich fast schon zu einem stillen Song mit einem jazzig anmutendem Bassspiel. Die größte Last hat Kjetil Nordhuses zu tragen, denn alle Ohren lauschen seiner Melodieführung. Auch wenn die Instrumentierung sich steigert behält der Gesang meisterlich die Oberhand.
Plötzlicher Kälteeinbruch
Die ersten drei Tracks waren eine Verbindung von akustischen Passagen und schweren Gitarren. Sie erzeugt einen wohligen Wechsel von Licht und Schatten. Bei The Slave That You Are geht es um den Anspruch an das eigene Leben, um Chancen und Selbstverwirklichung. Die Norweger holen dazu die große Kälte aus der Trickkiste. Grutle Kjellson von Enslaved spiegelt mit seinen Growls den klaren Gesang von Kjetil Nordhuses und verschärft den Zwist zwischen Ist und Soll bei der Betrachtung des Lebensweges.
The Slave That You Are ist der härteste Song auf dem Album und blickt nur im Mittelteil auf das Feeling der bisherigen Stücke zurück. Die rasenden Gitarren zu Beginn sind Wut, die am Ende des Songs sind Befreiung – ein großartiger Track.
Der Abschluss von etwas Großem
The Shores Of Melancholia bewegt sich ähnlich wie In Your Paradise im Midtempo. Der Song ist mit seinen fünfeinhalb Minuten schon fast eine Hitsingle des Albums und ist HIER für Quereinsteiger als Hörprobe eine absolute Empfehlung. Was anderes als einen Monstertrack wie Too Close To The Flame kann am Ende des Albums stehen? Über neuen Minuten mischen und umspielen sich Gitarren und Melodien.
Es ist ein stetiges Brechen und wieder Aufbauen von Melodien. Für die Instrumentalfetischisten gibt es zwischen Minute fünf und sechs noch ein Highligh mit Soloarbeiten von Gitarren und Keyboards. Too Close To The Flame ist Zusammenfassung und Abschluss für etwas Großartiges, welches fünf Jahre im Dunkel gewachsen ist und nun unbeschreiblich schön hervorbricht.
Fazit
Green Carnation vollbringen Großes. Wer sich dem Album mehrmals hingibt, der wird in ein tief emotionales Erlebnis gezogen. Viele reden stetig von einem Anwärter auf das Album des Jahres, aber nur bei A Dark Poem, Part I: The Shores of Melancholia sehe ich diese Anwartschaft gerechtfertigt. Warum dann nicht die volle Zehn? Es ist der erste Teil einer Trilogie. Was soll ich sonst beim nächsten Mal geben? 9/10
Line Up
Kjetil Nordhus – Gesang
Tchort – Gitarre
Bjørn Harstad – Gitarre
Stein Roger Sordal – Bass
Kenneth Silden – Keyboards
Jonathan Alejandro Perez – Schlagzeug
Gstmusiker
Ingrid Ose – Flöte
Grutle Kjellson – Growls
Henning Seldal – Percussion
Tracklist
01. As Silence Took You
02. In Your Paradise
03. Me My Enemy
04. The Slave That You Are
05. The Shores Of Melancholia
06. Too Close To The Flame
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